Seit den 70er Jahren zirkulieren in Wissenschaftskreisen Begriffe wie performative turn, rhetorical turn, postcolonial turn, spatial turn, iconic turnoder religious turn. Auch wer up to date sein will, wird vielleicht das Gefühl nicht loswerden, zu rotieren und die Orientierung zu verlieren. Dies ist auch das Stichwort für unsere Diskussion: Braucht die islamische Kultur nun noch ihren eigenen turn? Die Zeitschrift The Turn meint, diese Frage bejahen zu können: Zweifellos haben im Westen Diskurse über den Islam zu einer ›Wende‹ geführt. Besonders politische Debatten drehen sich unaufhörlich um dieses kulturell ›Andere‹, aber auch in den Geisteswissenschaften spielt es eine immer größer Rolle. Für Musliminnen e begründet sich ein als ›anders‹ wahrgenommenes islamisches Denken auf den Lehren des Koran, die immer wieder neu interpretiert werden. Genau wie die Kaaba das universell-rituelle Zentrum des Islam darstellt, wird dieser Text also gewissermaßen als umbilicus mundi gelesen. Seine Botschaft besteht in erster Linie darin, dass die ›Blackbox‹ göttlicher Transzendenz in den Mittelpunkt des Denkens gestellt wird, was in der Tat eine grundlegende epistemische Rückung bewirkt. Wollen wir die erkenntnistheoretische Lektüre des Koran mit Errungenschaften westlicher Wissenschaft vergleichen, so kommt einem vielleicht jene auf Kopernikus zurückgehende Wende in den Sinn, welche die Sonne im Weltmittelpunkt lokalisierte. Genau wie der Heliozentrismus freilich erst in der Retrospektive zu einer Revolution stilisiert wurde – zeitgenössische Gelehrte rezipierten ihn lediglich als Hilfsmittel für astrologische Kalkulationen – ist ein theozentrischer Kosmos sicherlich immer eine historische Konstruktion, die infrage gestellt werden darf und muss. Was The Turn anstrebt, ist daher keine ›islamische Wissenschaft‹, sondern ein Schreiben um den Islam herum, wobei andere Texte als der Koran, andere Traditionen und andere Perspektiven selbstverständlich mit in die Diskussionen einbezogen werden.